Im Urlaub an der Nordsee trifft man dessen Spuren auf Schritt und Tritt. Ob im dänischen Hanstholm in Nordjütland, in Esbjerg am nördlichen Ende des Wattenmeeres, auf der vorgelagerten Insel Fanø, in den Niederlanden auf den westfriesischen Inseln, besonders auf Terschelling und nahe der großen Seebäder der Niederlande wie Scheveningen oder Katwijk. Bis an die französisch-spanische Grenze im Süden und nach Nordnorwegen im Norden ziehen sich Betonanlagen unmittelbar an der Küste, die schwer zu beseitigen sind und deren Zweck zunächst unklar ist. In vielen Fällen wird jedoch darüber informiert, einige Bunkeranlagen sind sogar als Museum zugänglich oder werden bis heute genutzt. Im Nordseeurlaub trifft der Gast an vielen Stellen auf diese Betonreste und ist erstaunt über deren Vielzahl.
Alle diese Anlagen stammen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Sie wurden seit 1942, verstärkt seit 1943 von Deutschen in den von ihnen besetzten Ländern und im eigenen Land errichtet. Dazu wurden auch Zwangsarbeiter aus den Ländern selbst herangezogen, die in kurzer Zeit Unmengen von Beton und Stahl verbauen mussten. Ziel war die Abwehr eines Angriffs der Alliierten auf die Küste der okkupierten Länder Norwegen, Dänemark, Niederlande, Belgien und Frankreich. Auch die deutsche Nordseeküste gehörte zu den „gefährdeten“ Gebieten. Das Gesamtprojekt wurde als Atlantikwall bezeichnet.
Nach dem erfolglosen alliierten Landungsversuch bei Dieppe an der Kanalküste im August 1942 begannen die Planungen und im September 1942 bereits der Bau dieser Anlagen, der bis 1944 weitergeführt wurde. Bis 1943 war die Organisation Todt dafür zuständig, die dafür nicht nur eigenständig deutsche Arbeitskräfte rekrutieren durfte, sondern auch Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene einsetzte. Seit 1943 war Generalfeldmarschall Erwin Rommel hauptverantwortlich für den Atlantikwall. Obwohl er persönlich die Funktionsfähigkeit im Ernstfall, wie andere hohe deutsche Militärs ebenfalls, stark anzweifelte, wurde das Projekt durchgezogen. Hauptmangel war die geringe Verteidigungstiefe, wie sich später bei der alliierten Landung auch bestätigte. Aus Mangel an Beton und Stahl wurden stellenweise die Befestigungen nur als Sparvariante errichtet und große Gebiete zwischen den einzelnen Bunkern und Festungen mit geringerem Aufwand befestigt. Außerdem wurden im Zusammenhang mit dem Bau des Atlantikwalls zur Verbesserung der Abwehrmöglichkeiten ganze strandnahe Ortsteile abgerissen, wie beispielsweise im großen niederländischen Nordseebad Scheveningen. Insgesamt wurden für den Atlantikwall mehr als 8.000 Bunker gebaut, die meistens mit Kanonen ausgestattet waren.
Wer die mitten in den Dünen oder sogar in unmittelbarer Strandnähe befindlichen Anlagen oder deren Reste mit eigenen Augen sieht, wird erkennen, welch großer Aufwand und welche folgenreicher Eingriff in die Natur eine Totalräumung bedeuten würde. In vielen Fällen hat sich die umliegende Natur ihr Terrain bereits wieder zurückerobert. So hat man sich offenbar entschieden, die Anlagen, von denen keine unmittelbare Störung für die Entwicklung der Ortschaften ausgeht, so zu belassen. Einige wenige werden heute zu anderen Zwecken genutzt, andere sind als Museum zugänglich, wie beispielsweise im dänischen Esbjerg, die meisten bleiben als Mahnmal an eine kriegerische Vergangenheit stehen. Sie alle sind in diesem Sinne „sehenswert“, denn die Erinnerung an die Historie ist damit in jedem Fall verbunden.
Foto: © Karin Höll (3), Wikimedia_Tomasz Sienicki CCBY-SA 2.0 (Hirtshals)
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